Druckansicht der Internetadresse:

Bayerische Forschungs- und Informationsstelle – Inklusive Hochschulen und Kultureinrichtungen (BayFinK)

Seite drucken

News

zur Übersicht


Uche Okeke (1933-2016), We will now go to Kpaaza, Iwalewahaus 2022

Zur aktuellen Ausstellung mit Arbeiten von Uche Okeke hat Thomas Zeidler wieder einführende Texte in Deutsche Gebärdensprache übersetzt. Hier ein Überblick zu den kommentierten Arbeiten:

Uche Okeke

We will now go to Kpaaza

Arbeiten von Uche Okeke (1933 – 2016)

Mit Uche Okeke erinnert das Iwalewahaus an einen der wichtigsten Künstler der nigerianischen Moderne. Als Nigeria 1960 die Unabhängigkeit von der britischen Kolonialmacht erlangte, hatte Uche Okeke mit anderen Künstlern bereits die Zaria Art Society gegründet. Diese unabhängige Künstlergruppe orientierte sich seit 1958 an regionalen ästhetischen Traditionen und suchte nach neuen eigenen Ausdrucksmitteln- und formen. Ein Leitmotiv, das Uche Okeke in seinem Künstlerleben begleitete.

Die Ausstellung im Iwalewahaus präsentiert Zeichnungen, Druckgraphiken und Malerei aus verschiedenen Jahrzehnten. Sie sind zum großen Teil erstmals in Europa zu sehen. Die Tochter des Künstlers, Ijeoma Uche-Okeke hat die Werke ausgewählt und die Hängung vor Ort zusammen mit der Kuratorin Violet Nantume in Szene gesetzt.

Uche Okeke begegnet uns als lyrischer Illustrator, expressiver Erzähler und innovativer Gestalter. Seine Werke werden mit Arbeiten von Wegbegleitern wie Demas Nwoko, Bruce Onobrakpeya, Okechukwu Odita, Oseloka Osadebe, Ego Uche-Okeke, Uzo Ndubisi, und Emmanuel Tetteh in Kontext gesetzt. Einen graphischen Schwerpunkt in der Ausstellung bilden Reminiszenzen an das Uli-Design. Die Wiederbelebung und Erneuerung dieser traditionellen Zeichensprache der Igbo, einer Ethnie in Südnigeria, ist eng mit Uche Okeke und den Zaria Rebells verbunden. Freunde des Iwalewahauses werden daher bekannte Motivik und Bildideen wiederfinden. Für neue Gäste bietet die Ausstellung einen idealen Einstieg in die Entwicklung der zeitgenössischen Kunst Nigerias und damit auch in die Geschichte des Iwalewahauses.

Uche Okeke (1933-2016)

Hand that pulls strings, 1969

Offset

Eine zarte Skizze ist die Grundlage für das Blatt "hand that pulls string", "Hand die an Fäden zieht", von 1969. Das Blatt ist ein wenig kleiner als ein DIN A4 Hochformat. Es wurde im Offset-Verfahren gedruckt mit einer Auflage von 50 Exemplaren. Das Bayreuther Blatt trägt die Nummer 18. Neben der Auflage nennt die in Bleistift geschriebene Titelleiste am unteren Bildrand den Titel, den Künstler und das Entstehungsjahr - 1969.

In der oberen Blatthälfte sind die Umrisse einer Hand mit schnellem Strich kurvenreich angedeutet. Die vier nach unten weisenden Finger werden mit ungleichmäßigen Gliedmaßen gekennzeichnet. Sie greifen nach dem als einfachen horizontalen Strich beschriebenen Querbalken eines Spielkreuzes. Der im Titel erwähnte Faden führt als getüpfelte Linie in die untere Bildhälfte. Dort hängt die Puppe. Eine nur umrisshaft geschilderte schlanke Figur. Sie hebt die Arme und zieht beide Knie in Richtung Oberkörper, als sei sie im Sprung begriffen.

Es liegt nahe, das Bild vor dem zeitlichen Hintergrund seiner Entstehung als gesellschaftskritisch und politisch motiviert zu deuten. 1969 tobte noch der Biafrakrieg und Uche Okeke hatte als bekannter Künstler und Intellektueller immer wieder Stellung bezogen für die Unabhängigkeit der südnigerianischen Staatsgründung. In diesem Sinne wurde das in Anlehnung an das schlichte Uli-Design komponierte Blatt auch beispielsweise vom Schüler Okekes, Obiora Udechuckwu in einer eigenständigen Fassung eines Marionettenspiels zitiert. Nur wenig später ist diese Lesart bei der Gestaltung der Filmplakate zu Coppolas Godfather, der Pate mit Marlon Brando in der Hauptrolle, variiert worden.

Möglich, dass Uche Okeke auch die Leichtigkeit der Puppenbewegungen faszinierte. Der deutsche Romantiker Heinrich von Kleist hatte dies in dem berühmten Essay "Über das Marionettentheater" so beschrieben: "Zudem ... haben diese Puppen den Vorteil, daß sie antigrav sind. Von der Trägheit der Materie, dieser dem Tanze entgegenstrebendsten aller Eigenschaften, wissen sie nichts: weil die Kraft, die sie in die Lüfte erhebt, größer ist, als jene, die sie an der Erde fesselt."

Uche Okeke (1933-2016)

Face of time, 1959

Linolschnitt

Auf braun-gelbem Papier hat Uche Okeke 1959 eine kleine Komposition mit Bleistift, Pinsel und schwarzer Tusche gestaltet. Die kreisrunde Fläche der Darstellung misst gerade 4,5 Zentimeter im Durchmesser. Das Blatt ist auf hinter einem braunem Passepartout moniert, in etwa in der Größe eines Din A4 Blattes. "Face of Time" - das Gesicht der Zeit - so lautet der Titel.

Das Blatt wurde wie ein fotografisches Negativ angelegt. Der Hintergrund ist in homogenem dunklen Schwarz gehalten. Die Darstellung dagegen setzt sich in der Farbe des Papiers von dem dunklem Hintergrund ab. Es sind unfigürliche, abstrakte Formen, die ineinandergreifen und fließen. Im rechten oberen Kreisviertel befindet sich eine gebogene Struktur mit polypenartigen Auswüchsen, die sich zum oberen Kreisumfang wenden. Vom oberen Ende des Bogens führt eine sich verjüngende und wieder weitende Struktur in die linke untere Kreisfläche, um dort wieder in drei knotenartigen Gliedern zu enden. Als figürliche Assoziation legte sich ein Seepferdchen nahe. Die Struktur in der unteren Kreishälfte erinnert an einen fliegenden Vogel. Auch der spiegelverkehrte Buchstabe Q könnte Pate gestanden haben. Im linken oberen Kreisviertel könnte eine zarte Linie die Räumlichkeit eines segelartigen Trapezoids andeuten.

1959, als das Blatt entstand, blickte Uche Okeke als Gründer der Zaria Art Society voller Hoffnung in die Zukunft: "Ausländische Besucher und aufgeklärte Nigerianer werden zunehmend den Wunsch haben, zeitgenössische nigerianische Kunst zu studieren und zu schätzen. Wir dürfen nicht immer in der Vergangenheit leben, [indem wir] Nok, Igbo-Ukwu, Ife, Benin und so weiter ausstellen und die Vergangenheit auf Kosten der Zukunft verherrlichen." In der Anfangszeit setzt Uche Okeke alles daran, diese Vision einer selbstbewussten jungen und aufstrebenden Kulturnation umzusetzen.

Uche Okeke (1933-2016)

A maidens cry, 1970

Gouache auf Papier

Häufig bezieht Uche Okeke Anregungen aus den Überlieferungen und Erzählungen des familiären Umfelds und des Freundeskreises. Für die Illustration eines Sammelbandes nigerianischer Mythen und Erzählungen gestaltete Uche Okeke 1970 eine Reihe von Gouachen, mit Gummi Arabicum gebundene Pigmentfarbe.

Beim Blatt „A Maidens Cry", einem kleinen Hochformat von ca. 25 x 15 cm, überwiegen Schwarz und Grautöne. Den Bildhintergrund gestaltet Okeke als Anklang an eine reich mit Bögen und Fenstern versehene Architektur mit weißen Wellenlinien und Kreisflächen auf grauem Untergrund. Die Schilderung ist eher beiläufig und schemenhaft. Die Bögen einer Arkade am rechten unteren Bildrand deuten eine Fassade mehr an, als dass sie Räumlichkeit und Architektur naturalistisch imitieren würden. Im linken unteren Bildeck erscheint der Kopf einer Frau vor der verhaltenen Szenerie. Die Züge und Umrisse ihres Antlitzes sind ebenfalls mit schnellem Pinselstrich umgesetzt. Allerdings verwendet Okeke hier ein kräftiges Schwarz für die Konturen. Auch die Kopfbedeckung der Frau, die an einen Turban erinnert, ist in Schwarz gehalten. Die Augen der Frau richten sich gegen den Betrachter, der Mund ist weit zu einem Schrei geöffnet.

Der Band „Tales of Land of Death” erschien 1971 mit dem Untertitel: Igbo Folktales. Die Igbo, eine Ethnie im Südwesten Nigerias, hatte in einem blutigen Bürgerkrieg den Versuch unternommen, sich von Rest-Nigeria abzusondern und einen eigenen Staat „Biafra“ auszurufen. Dieser Versuch schlug fehl. Die Biafra-Idee wurde mit Krieg und Hunger gewaltsam beendet. Uche Okeke engagierte sich als Künstler und Universitätslehrer für die Sache der Igbo. Unter anderem organisierte er eine Ausstellung „Kunst und Kunsthandwerk aus Biafra“, die 1970 in Deutschland zu sehen war. Für Okeke war der Auftrag der Kunst stets auch politischer Natur.

Bruce Onoprakpeya (*1932)

Ajua eats the bitter fruit, 1970

Linolschnitt

Mit dem Blatt "Ajua eats the bitter fruits", „Ajua isst von den bitteren Früchten“, haben die Kuratorinnen auch eine Arbeit von Bruce Onoprakpeya ausgewählt. Der Linoldruck aus dem Jahr 1970 ist auf einem gelblich-braunem Papier gefertigt. Das Hochformat misst in etwa 38 cm Höhe und 24 cm Breite. Am unteren Blattrand ist in Bleistift der Titel, die Technik, die Signatur des Künstlers, der Erstellungsort Lagos und das Entstehungsjahr 1970 dokumentiert.

Das Blatt übersetzt den Titel in ein Bild. Im Bildvordergrund rechts steht eine junge, mit einem schlichten kurzärmligen Kleid gewandete Frau. Ihre Haare sind im Nacken zu einem Knoten zusammengefasst, die Frisur in einem kunstvollen Flechtwerk gehalten. Die Frau wendet sich einem knorrigen Baum in der linken Bildhälfte zu. Von den nur spärlich mit Blättern versehenen Ästen hat sie eine Frucht gepflückt, die sie mit der rechten Hand zum Mund führt. Der Bildhintergrund wird im oberen Bilddrittel von drei dichten Palmgewächsen beherrscht. Ihre üppigen Wedel zeigen das gleiche Muster wie die Frisur der Frau.

Bruce Onoprakpeya zählt zu den arriviertesten Künstlern Nigerias mit Werken in den großen Museen in New York, London, Paris. Als junger Mann traf er Uche Okeke während des Studiums. Die beiden fanden auch in der Künstlergruppe der Zaria Art Society zusammen. Sie verband das gemeinsame Ziel, der Kunst des jungen Landes Nigeria eine Zukunft zu weisen. Onoprakpeya fand dabei Orientierung in den Mythen und Traditionen der Urhobo, einer Ethnie im Südwesten Nigerias. Der Titel und die Darstellung legen einen Vergleich mit der biblischen Erzählung von Adam und Eva nahe. Ob die Geschichte um Ajua und die bittere Frucht eine vergleichbare Wendung findet, geht aus Onobrakpeyas Schilderung nicht hervor und muss aufgrund fehlender Quellen unbeantwortet bleiben.

Uche Okeke (1933-2016)

Stations of the cross, 1963

Gouache

1962 und 1963 hielt sich Uche Okeke längere Zeit in München auf. Unter anderem studierte er an der Mayerschen Hofkunstanstalt die Technik der Glas- und Mosaikkunst. In Deutschland entdeckte Okeke Vorbilder für die Verbindung von Kunst, Design und Industrie. Er war fasziniert vom Ansatz der Hochschule für Gestaltung in Ulm, begeisterte sich auch für die Arbeiten der Kölner Werkschule und sah in den Versuchen Westdeutschlands, aus der jüngeren Vergangenheit Lehren für die Gegenwart zu ziehen, auch ein Modell für Nigerias Zukunft.

Die Mayersche Hofkunstanstalt ist eine auf kirchliche Kunst spezialisierte Einrichtung. Daher verwundert es nicht, wenn Okeke hier mit christilicher Ikonographie in Kontakt kam und sich von bildlichen Motiven der Passionsgeschichte inspirieren ließ. „Stations of the cross“, die Stationen des Kreuzweges, ein mittelalterliches Bildprogramm, wurde von Okeke in mehreren Gouachen vorbereitet und anschließend in München als Mosaik ausgeführt. Die Arbeiten sind noch immer am Gebäude der Mayerschen Hofkunstanstalt zu bewundern, sie haben die letzten 60 Jahre unbeschadet überdauert.

Das Blatt mit dem Kopf Christi stammt aus einer Folge von neun Gouachen im Format 60 x 40 cm. Es ist in Ocker-Tönen gehalten. Die Konturen wurden mit breiten schwarzen Pinselstrichen aufgesetzt. In der oberen Bildhälfte wird der Kopf Christi mit wenigen Linien umschrieben. Ein Auge, die Kante des Nasenrückens, der Kinnbart – die Schilderung ist skizzenhaft verkürzt. Auch der Oberkörper und eine Hand im unteren linken Bildeck werden mit knapper Geste angedeutet. Diese Verkürzung oder Schlichtheit ist bei Okeke Programm. Er entwickelt sie auf der Grundlage zeichnerischer Elemente, die er in der Igbo-Kultur kennengelernt hat und überträgt sie auf das Medium des Mosaiks.

Uche Okeke (1933-2016)

Christ, 1961

Öl auf Malpappe

Das Ölgemälde zeigt einen im Wald sitzenden Mann. Der Titel "Christ" wurde mit der Hand auf die Rückseite geschrieben. Die Komposition ist in zwei Ebenen aufgeteilt: Im oberen Bilddrittel sind die gekurvten Stämme eines Waldes. Die Bäume bilden den Bildhintergrund. Im Vordergrund nimmt ein sitzender Mann die unteren zwei Drittel der Bildfläche ein.

Die Figur des sitzenden Mannes ist fast achsensymmetrisch. Über dem Mittelpunkt der Bildfläche ist der Kopf positioniert. Der Kopf des Mannes blickt auf den Betrachter. Das Gesicht wird als Trapez beschreiben. Die hohe Stirn ist deutlich breiter als die Wangenpartie. Das Kinn wird von einem sauber gestutzten Bart bedeckt. Auf dem Kopf trägt der Mann einen Turban.

Im Turban wird das Licht der Abendsonne reflektiert. Möglicherweise hat jemand den Turban mit einem Heiligenschein verwechselt. Denn es handelt sich wohl kaum um eine Christusdarstellung. Eher wird hier ein muslimischer Kleriker oder Marabout bei der Meditation gezeigt. Die hohe Stirn, die schlanke, stark geschwungene Nasenpartie, vor allem aber die schemenhafte Schilderung der Augen und des Mundes erinnern stark an die Züge einer Maske.

Auf den Knien des sitzenden Mannes lagern die Hände. Das Gewand, eine traditionelle Oberbekleidung, die auch Boubou oder Agbada genannt wird, ist in schmucklosem Weiß gehalten. Die Hände und das Gesicht des Mannes markieren die Eckpunkte eines gleichseitigen Dreiecks. Diese auch als Pyramide beschriebene Bildformel verleiht dem Motiv Gleichmaß und Ausgewogenheit.

Das Gemälde entstand 1961. Damals entwickelte Uche Okeke in Zaria neue Bildformeln für eine afrikanische moderne Kunst. „Junge Künstler in einer jungen Nation, das sind wir!” – so beschrieb Okeke sein Selbstverständnis. „Nigeria braucht eine lebendige Kunstschule mit einer neuen Philosophie – unsere eigene Renaissance!"

Facebook Twitter Youtube-Kanal Instagram UBT-A Kontakt